© R. Scholz

Wandbild Künstler Hermann Gottfried

Hinter dem Altar der Christus-König-Kirche befindet sich ein Wandbild von Hermann Gottfried aus dem Jahr 1985. Mit klaren Formen und kräftigen Farben greift es das Thema Chrust als König auf und regt zur Auseinandersetzung mit seiner Botschaft an.

40 Jahre Wandbild in Christus-König Erndtebrück (27.10.2025)

Von Juni bis Oktober 1985 fanden in unserer Christus-König Kirche umfassende Renovierungsarbeiten statt. In dieser Zeit wurde der alte Beichtstuhl in einen neuen Raum unter den Glockenturm verlegt; er befand sich vorher übrigens in der Nische, in der jetzt die Marienstatue untergebracht ist. Deutliche Veränderungen erfuhr der Chorraum: Zum einen wurde eine Mauer beseitigt, die bis dahin den Tabernakel und das große Fenster auf der Südseite verdeckte. Von der einstigen Mauer ist der Pfeiler rechts im Chorraum übrig geblieben. Zum anderen sorgte das große Wandbild hinter dem Altar für die größte Veränderung in unserer Kirche (siehe Bild).

In unserer Chronik ist zu lesen, dass mit dem Ausräumen der Kirche am 17.6.1985 die Renovierungsarbeiten begannen. Die feierliche Einweihung der Kirche nach der erfolgten Innenrenovierung fand bereits am 27. Oktober 1985, also nur 4 Monate später statt. In dieser Zeit fanden die Gottesdienste im Pfarrheim statt, und die Kirche wurde für die anstehenden Arbeiten für die Gemeindemitglieder geschlossen. Nur den Mitgliedern von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat wurde ein kurzer Blick in die Kirche gewährt. Sie durften somit erleben, wie der Künstler Hermann Gottfried von den ersten Strichen bis zur finalen farblichen Gestaltung ein Bild erschuf, das bis heute unsere Kirche prägt. Es war und ist allerdings umstritten, es erregt bis heute einige Gemüter und wäre im Auge seiner Kritiker am besten nie gemalt worden.

Aber es feiert in diesem Jahr seinen 40. Geburtstag! 40 Jahre sind eine lange Zeit, in der einiges in Vergessenheit gerät. Daher ist es an der Zeit, sich das „Geburtstagskind“ einmal genauer anzuschauen. In den folgenden Pfarrnachrichten möchte ich daher Teile des Bildes vorstellen, so dass wir die Intentionen hinter dem Bild neu entdecken und am 27. Oktober gemeinsam einen schönen Geburtstag feiern können. Viel Spaß bei diesen Entdeckungen wünscht Roland Scholz.

Der allgemeine Bildaufbau

Das Bild füllt eine annähernd quadratische Wandfläche vollständig aus. Es ist zum Einen von elf figürlichen Darstellungen und zum Anderen von geometrischen Strukturen sowie der Farbwahl geprägt. In der linken unteren und oberen Bildhälfte dominieren dunkle Farbtöne, während in der rechten Hälfte graue Töne überwiegen. In der Bildmitte dominieren rötliche Farbtöne. Auffällig sind zudem zahlreiche verschiedene Grautöne.

Von den elf Figuren, die allesamt im gleichen Stil dargestellt sind, hat der Künstler vier Personen waagerecht im unteren Bildteil angeordnet. Sie befinden sich auf einer Höhe (siehe die gelbe Linie 1). Die dominierende Person, die zudem größer dargestellt ist, zeigt eine eindeutige vertikale Ausrichtung. Sie ist in ihrer gesamten Körperhaltung nach oben gerichtet und befindet sich etwas rechts vom Bildzentrum. Die vertikale Ausrichtung soll durch die gelbe Linie 2 noch einmal verdeutlicht werden. Die weiteren sechs Figuren entziehen sich zunächst dem Blick des Betrachters, denn sie sind im oberen Bereich des Bildes in Deckenhöhe angeordnet. Je nachdem, wo man sich in der Kirche aufhält, muss man den Blick gezielt nach oben richten, um sie wahrzunehmen. Erblickt man die sechs Figuren, kann man im ersten Moment einen Schrecken bekommen; doch davon später mehr. Die Figuren im oberen Bildbereich sind kreisförmig angeordnet (siehe die gelbe Linie 3).

Für die weitere Bildgestaltung nutzt der Künstler an einigen Stellen rechteckige Formelemente. Sie werden an den senkrechten und waagerechten Farbwechseln der Hintergrundfarben deutlich und sind als Beispiel an den beiden mit A gekennzeichnet Bereichen gekennzeichnet. In den mit B markierten Bildbereichen überwiegen freie Formen. Hier könnte man den Eindruck haben, der Künstler habe wahllos den Pinsel über die Wand geführt. Doch dieser Eindruck täuscht, denn im elliptischen Bereich B ist eine eindeutige Ausrichtung nach rechts oben zu erkennen. Neben diesen Gestaltungsmerkmalen nutzt der Künstler kleine, zufällig angeordnete „Farbkleckse“, die zum Teil an Strahlen erinnern (siehe mit C versehene Pfeile). Zuletzt soll darauf hingewiesen werden, dass der Künstler viele verschiedene Grautöne verwendet hat. Der mit D gekennzeichnete Bereich soll exemplarisch auf die Verwendung der Grautöne hinweisen.

Wenn Sie das Bild auf sich wirken lassen, werden Sie weitere Gestaltungsmerkmale entdecken; doch davon später mehr. Bis dahin wünsche ich viele neue Eindrücke beim Betrachten des Bildes. (Roland Scholz)

 

Der horizontale Bildaufbau

Neben dem allgemeinen Bildaufbau besitzt das Wandbild eine horizontale Struktur. Die beiden Linien 1 und 2 teilen das Bild in drei horizontale Bereiche.

Der größte Bereich befindet sich oberhalb der Linie 1. Diese Linie verläuft etwa durch das Zentrum und teilt das Bild quasi in einen (großen) oberen und zusammen mit der Linie 2 in zwei (kleinere) untere Bildbereiche auf.

In der oberen Bildhälfte fällt die halbkreisförmige Struktur auf. Der Halbkreis 3 befindet sich im Mittelpunkt der quadratischen Grundfläche. Um ihn herum sind sechs Figuren platziert. Für die Figuren scheint der angedeutete Halbkreis eine Grenze darzustellen, denn bis auf wenige Fingerspitzen und einen Hemdsärmel bleiben alle Figuren eindeutig hinter dieser Grenzlinie zurück. Niemand unterschreitet den Halbkreis 3.

Ein weiterer Halbkreis sorgt in der oberen Bildhälfte für Aufmerksamkeit. Er durchbricht die Symmetrie und ist nach rechts aus der Bildmitte versetzt gezeichnet (siehe Halbkreis 4). Er besitzt daher einen anderen Mittelpunkt. Sein Mittelpunkt liegt in der zentralen, nach oben gerichteten Figur. Auffällig ist, dass sich diese Figur offensichtlich nicht an Grenzen hält. Anders als die Figuren im oberen Bildbereich ist sie oberhalb und unterhalb der Linie 1 gezeichnet, hält sich also nicht an die horizontale Bildteilung.

Die vier waagerecht angeordneten Figuren halten sich dagegen streng an ihre Grenzen. Sie sind exakt zwischen den Linien 1 und 2 dargestellt und lenken unsere Aufmerksamkeit sehr dezent auf die zentrale Figur.

Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass sich die roten Bildelemente unter der zentralen Figur ebenfalls nicht an die horizontale Teilung halten. Sie sind ober- und unterhalb der Linie 2 dargestellt und haben eine Ähnlichkeit mit Flammen („Feuerzungen“).

Die (theologischen) Aussagen der beschriebenen Bildteilung kann uns der Künstler leider nicht mehr mitteilen; er verstarb am 3. April 2015. In der Chronik ist allerdings zu lesen, dass der untere Bildbereich mit dem dunklen Block (hinter dem Altar) die hoffnungslose Welt ohne Christus darstelle. Wo Gottes Geist aber in Form von Feuerzungen in die Dunkelheit strahle und die frohe Botschaft angenommen werde, da ereigne sich Erlösung (Chronik des Jahres 1985).

Es fällt nicht schwer, in der zentralen Figur den auferstehenden Christus und im oberen Bildteil den Himmel zu sehen, der sich über dem irdischen Leben aufspannt. Die waagerecht angeordneten Figuren stehen für uns Erdenbewohner; sie sind zwischen der dunklen Hoffnungslosigkeit und dem himmlischen Bereich angeordnet.
Der Künstler hat bestimmt weitere Aussagen in seinem Bild versteckt. Wir sind eingeladen, diese zu entdecken und zu deuten. Dazu wünsche ich viel Erfolg und gute Erkenntnisse. (Roland Scholz)

 

Der vertikale Bildaufbau mit seiner versteckten Botschaft

Neben dem zuletzt beschriebenen horizontalen Aufbau besitzt das Bild auch einen vertikalen Aufbau. Er ist insbesondere an den rechteckigen Formelementen erkennbar und gibt eine „versteckte Botschaft“ preis.

Betrachtet man das Bild von links nach rechts, so grenzt sich der schwarze Bereich deutlich ab (vgl. Linie 1). Dem schließen sich im oberen Bildbereich zwei weitere Formelemente mit klaren, senkrechten Farbwechseln an. Verlängert man diese nach unten, ergeben sich die Linien 2 und 3. Die letzte vertikale Teilung ist etwas schwerer erkennbar, aber man kann sie am rechten Bildrand an den Graustufen identifizieren. Verlängert man den Wechsel der Graustufen nach oben, ergibt sich die Linie 4.

Somit lässt sich das Bild in fünf vertikale Bereiche einteilen, die zusammen mit zwei markanten horizontalen Farbwechseln ein großes Kreuz ergeben! Zugegeben, ich habe mich sehr schwer getan, in dem Bild dieses Kreuz in seiner Gänze zu erkennen. Besonders im unteren Bereich kann ich kein Kreuz erkennen! Erst die Verlängerung der Bereiche am PC brachten es in seiner gesamten Größe zum Vorschein. In der Abbildung sind die beschriebenen Farbwechsel und Bereiche durch weiße Linien kenntlich gemacht. Sie ergeben ein großes, zentrales Kreuz als Zeichen für unseren christlichen Glauben.

Warum der Künstler das Kreuz in das Wandbild „versteckt“ hat, wird sein Geheimnis bleiben. Doch vielleicht hat er weitere Botschaften in das Bild versteckt, die wir noch nicht entdeckt haben. Ich wünsche auch nach 40 Jahren noch viel Freude am Entdecken weiterer, vielleicht versteckter Botschaften. (Roland Scholz)

 

Christus Sieger, Christus König

Beim Betrachten des Bildes fällt der Blick zuerst auf die größere Person in der Bildmitte. Man erkennt einen Mann, der mit leicht geneigtem Kopf auf uns Betrachter zukommt. Er ist umrahmt von bunten Farbklecksen und weist mit seinem rechten Arm nach oben. Diese Haltung wird durch drei Finger zusätzlich verstärkt, die ebenfalls deutlich nach oben gerichtet sind.
Insgesamt ist die Person sehr dynamisch dargestellt. Sie erinnert an einen (Marathon-) Läufer, der nach 42,195 langen und anstrengenden Kilometern als Sieger in‘s Ziel einläuft. Beim Zieldurchlauf reißt er seinen rechten Arm jubelnd nach oben und nimmt dabei das weiße Band mit, das im Ziel gespannt war. Die Darstellung darf daher gerne mit dem bekannten Christus-Ruf „Christus Sieger“ verglichen werden.

Zugegeben, in dem weißen Pinselstrich unter dem rechten Arm ein Zielband zu erkennen, bedarf etwas Phantasie. Aber alle Betrachter dürften in der dargestellten Person sofort den auferstehenden Christus erkennen. Christus, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, hing nämlich kurz vorher noch am Kreuz. Auf seiner linken Seite ist noch das Wundmal zu erkennen, das ihm der Soldat zugefügt hat. Warum der Künstler auf die Darstellung der Dornenkrone verzichtet hat, bleibt wohl sein Geheimnis. Es hätte die Bildaussage auf jeden Fall verstärkt, denn laut Jahreschronik soll das Bild Christus, den König in seiner Auferstehung zeigen. Christus steigt aus dem dunklen Reich des Todes (dargestellt durch eine Grabplatte hinter dem Altar) hinauf in das Licht. Durch seinen Tod hat er unseren Tod und unsere Sünde besiegt. Auch hier wird der Bezug zu dem Christus-Ruf „Christus König, Christus Herr in Ewigkeit“ wieder deutlich.

Unterstrichen wird diese Aussage übrigens dadurch, dass Christus genau zwischen dem irdischen (mittleren) und dem himmlischen (oberen) Bildbereich dargestellt ist (vgl. horizontaler Bildaufbau). Und außerdem befinden wir uns in der Christus-König Kirche! Insofern passt die theologische Aussage des Bildes sehr schön zu unserem Kirchenpatron.

 

Die Personengruppe

Auf der linken Seite des Bildes sind drei Männer dargestellt. Sie sind in Bewegung dargestellt. Ihr Ziel scheint der auferstandene Christus zu sein. Die grauen Pinselstriche zwischen den Männern und Christus dürfen durchaus als (Lebens-) Weg gedeutet werden. Die rechte Person ist mit einem grauen Gewand (Mantel) bekleidet und trägt einen Stab in ihrer linken Hand. Am Stabende ist ein Kreuz zu erkennen. Der Blick ist nach vorn gerichtet und mit der rechten Hand zeigt die Person auf Christus. Die Kopfhaltung und gesamte Körpersprache unterstreichen eine gewisse Zielstrebigkeit der Person. Die mittlere Person trägt ebenfalls einen Stab mit deutlich sichtbarem Kreuz. Die rechte Hand zeigt allerdings zum Boden und auch der Blick der Person ist nach unten gerichtet. Der Kopf ist deutlich zum Boden geneigt. Insgesamt vermittelt die mittlere Person einen demütigen Eindruck (Demut = „Mut zum Dienen“). Beim Betrachten der linken Person wird manch einer vielleicht an seinen Lehrer denken. Die Person hält ein Buch in ihrer rechten Hand; die Finger der linken Hand sind mahnend erhoben und scheinen auf wichtige Textstellen hinweisen zu wollen. Der Kopf ist leicht zum Buch geneigt, der Blick allerdings nach vorn (zu seinen Schülern) gerichtet. Die Männer sind zusammen mit der Person auf der rechten Seite (auf die später noch eingegangen wird) in der mittleren (= irdischen) Zone des Bildes dargestellt. Sie sollen die theologische Aussage unterstreichen, dass Christus König des Volkes Gottes ist. Stellvertretend für das Volk Gottes hat der Künstler drei für unsere Gemeinde bedeutende Persönlichkeiten dargestellt. Die rechte Person steht für Liborius, den Bischof von Le Mans und Patron unseres Erzbistums Paderborn. Die mittlere Person stellt Martin, den Bischof von Tours dar. Martin wurde laut Jahreschronik nicht wegen seiner demütigen Haltung dem Bettler gegenüber ausgewählt, sondern weil der Hl. Martin der Schutzpatron unserer Partnergemeinde im nordfranzösischen Bergues ist. Während Liborius und Martin im 4. Jahrhundert gelebt haben und sich eventuell sogar begegnet sind, lebte die linke Person von 673 bis 754. Sie stellt Bonifatius, den Apostel der Deutschen dar. Bonifatius fällte auf einer Missionsreise um das Jahr 723 die sog. Donareiche in Geismar, zog dann die Eder aufwärts und brachte den christlichen Glauben schließlich auch nach Wittgenstein. Ob er die Heilige Schrift auf seinen Reisen dabei hatte, bleibt vermutlich ein Geheimnis, aber er wird auf vielen Darstellungen mit Buch dargestellt. Vielleicht entdecken Sie ein Merkmal, dass auf den Hl. Liborius hinweist, denn ohne Hinweis aus der Jahreschronik kann die rechte Person für das gesamte Volk Gottes, also auch für dich und mich stehen!