© © Jörg Hempel, Aachen

Denkmalgeschützte Kirche

Geistliche Impulse zu unserem jungen Wittgensteiner Baudenkmal - Die Kirche St. Petrus und Anna wurde in den Jahren 1968/69 nach den liturgischen Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) errichtet und steht seit dem Jahr 2018 unter Denkmalschutz.

Mit ihrer prägenden Architektur...

… ist sie nicht zuletzt eine Verstehens-Hilfe für die heutige Liturgie und trägt auf ihre Weise dazu bei, dem Geheimnis Gottes etwas näher zu kommen.

Drei ausgewählte Texte aus der „Allgemeinen Einführung ins Messbuch“ (AEM) laden mit orts- und situationsbezogenen Erläuterungen zur Meditation ein:

 

 

„Zur Feier der Eucharistie versammelt sich das Volk Gottes in einem Kirchenraum. Auf jeden Fall müssen die Räume für den Vollzug der Liturgie geeignet sein und die tätige Teilnahme der Gläubigen gewährleisten. Die Gottesdiensträume und alles, was dazu gehört, sollen in jeder Hinsicht würdig sein, Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeit.“ (AEM 253)

 

Die große, schmucklose weiße Wand hinter dem Altar sowie die einfachen, den ganzen Fußboden bedeckenden Keramikfliesen, die sich dem Blick eines Kirchenbesuchers nicht entziehen können, stehen zunächst in einem eklatanten Gegensatz zu dem Anspruch, „Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeit“ zu sein. Sie verkörpern mitnichten etwas Überirdisches. Im Gegenteil: Sie stehen für das Profane, für das Menschlich-allzu-Menschliche, für die mitunter harte, monotone, langweilige Realität des Alltäglichen. Die weiße Wand und die einfachen Keramikfliesen symbolisieren das „tägliche Brot“, um das das Vaterunser bittet. Das tägliche Brot sorgt nicht für eine erhöhte Aufmerksamkeit, alles Sensationelle ist ihm fremd. Aber das tägliche Brot erhält uns am Leben. Wir leben nicht von Festmählern – auch wenn wir uns nach Jahren noch an solche erinnern können und davon schwärmen. Wir leben vom täglichen Brot – es ist manchmal so einfach, monoton und langweilig wie die weiße Wand und die Keramikfliesen. Und dennoch brauchen wir es. Es ist nahrhaft und erhält unser Leben.

„Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeit“ sind vielmehr die großen, breiten Fensterbänder, die einen grandiosen Lichteinfall ins Kircheninnere ermöglichen. Das Licht wirkt geradezu wie das eigentliche Baumaterial dieser Kirche. Es möchte unsere Gedanken und Empfindungen auf eine überirdische Wirklichkeit ausrichten, denn das Licht hat mit Gott zu tun:

  • Der biblische Schöpfungsbericht stellt das Licht als das erste Schöpfungswerk vor (Gen 1, 3).
  • Der alttestamentliche Beter weiß: „Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte, ein Licht für meine Pfade“ (Ps 119, 105).
  • In der Bergpredigt sagt Jesus denen, die ihm zuhören: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5, 14), und im Johannes-Evangelium sagt er über sich selbst: „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh 8, 12).
  • Der erste Johannes-Brief formuliert sehr eindeutig: „Gott ist Licht“ (1 Joh 1, 5).

Das Licht, das für die Bibel ein so wichtiges Element ist, umgibt uns in dieser Kirche förmlich, und das als „Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeit“. Selbst an einem trüben Tag erscheint das Kircheninnere immer noch relativ hell. Indem uns das Licht dieser Kirche umgibt, treten wir ein in das Licht Gottes. Den Boden irdischer Realität (die Keramikfliesen) verlassen wir dabei nicht.

Die schönste Lichtwirkung dieser Kirche empfindet der Betrachter bestimmt, wenn er von einer der beiden Stirnseiten aus den Raum auf sich wirken lässt.

 

 

„Die Ausstattung der Kirche soll edel und einfach sein und nicht der Prachtentfaltung dienen“ (AEM 279).

 

Stein und Metall, edle und doch einfache Materialien, wurden für die Ausgestaltung der heiligen Orte dieser Kirche verwendet.

Für den Altar, den Ambo, die Tabernakel-Stele und die Einfassungen dieser Orte auf dem Fußboden (einschließlich des Taufbeckens, wobei das Taufbecken selbst aus der Vorgänger-Kirche stammt) sowie für die Treppenstufen, die zum Altarbezirk hinaufführen, wurde immer der gleiche Stein verwendet. Je nach dem ob er behauen, geschliffen oder lackiert ist, erscheint er in je anderem Farbton. Stets ist es das gleiche Material, „edel und einfach“, vor allem aber mit der Botschaft, dass diese Orte zusammen gehören. Wer die Stufen zum Altarbezirk hinaufgeht und sich an einen der genannten Orte begibt, stellt sich in den Dienst des Wortes und des Sakramentes. Er verlässt nicht die Ebene dieser „langweiligen“ Keramikfliesen, aber er lässt sich von Gott und für die Menschen in Dienst nehmen. An diesen besonderen Steinen, „edel und einfach“, ereignet sich die Selbstmitteilung Gottes:

  • Gott schenkt Lebensgemeinschaft im Wasser der Taufe.
  • Gott spricht zu uns im Wort der Bibel am Ort der Verkündigung (Ambo).
  • Gott schenkt uns am Altar die Tischgemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus.
  • Gott schenkt uns seine bleibende Gegenwart im eucharistischen Brot, das im Tabernakel aufbewahrt und angebetet wird.

Diese besonderen Steine, „edel und einfach“, sind wie Grenzsteine zwischen Himmel und Erde, „da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns“ (Gotteslob 798).

Ebenso ist das Metall für den Tabernakel, die Kerzenleuchter und das Hängekreuz stets das gleiche. „Edel und einfach“ verweist es auf eine überirdische Wirklichkeit: auf das himmlische Jerusalem. Die Bibel schildert zwar das himmlische Jerusalem in vielen prachtvollen Bildern (vgl. Offb 21 und 22). So ist dort z.B. die Rede davon, dass die Grundsteine der Stadtmauer „mit edlen Steinen aller Art geschmückt“ sind (Offb 21, 19f.). Jedoch ist dergleichen in unserer Kirche nicht verbaut, weder im Original noch als ein Imitat. Kostbare Edelsteine sind ohne Zweifel ein deutlicher Hinweis auf eine zukünftige Welt, jedoch geht die Kirche St. Petrus und Anna mit ihrer Ausstattung einen anderen Weg: Sie sensibilisiert mit edlen und einfachen Materialien für eine überirdische Wirklichkeit.

 

 

„Für gewöhnlich soll eine Kirche einen feststehenden, geweihten Altar haben, der frei steht. Er soll so aufgestellt sein, dass er wirklich den Mittelpunkt des Raumes bildet, dem sich die Aufmerksamkeit der ganzen Gemeinde von selbst zuwendet.“ (AEM 262)

 

Anders als in Kirchen, die z.B. im Stil einer Basilika errichtet sind, kann sich die Gemeinde in St. Petrus und Anna halbkreisförmig um den Altar versammeln, so dass der Altar bei uns deutlich mehr der Mittelpunkt des Raumes ist als in Kirchen anderer Bauart. Verstärkt wird diese Mittelpunkt-Funktion durch die Konstruktion des Kirchen-Daches. Über dem Altar befindet sich die höchste und breiteste Dacherhebung, die nach beiden Seiten gestuft abfällt. Insgesamt ergeben sich so sieben Dachelemente. Gedanklich könnte man diese Elemente, einer russischen Puppe vergleichbar, von außen nach innen ineinanderschieben. Die sechs äußeren Elemente würden sich dabei symmetrisch und passgenau unter der höchsten und breitesten Erhebung in der Mitte positionieren. Die sieben Dachelemente symbolisieren die sieben Sakramente. Die höchste und breiteste Erhebung in der Mitte, und damit über dem Altar, steht für die Eucharistie. Die anderen sechs Sakramente einem der übrigen Dachelemente zuzuordnen, steht in der Freiheit jedes einzelnen. Ihre Botschaft lautet in jedem Fall: Alle übrigen Sakramente sind hin geordnet auf die Eucharistie. Die Taufe und die Firmung, die Ehe und die Priesterweihe, die Krankensalbung und die Beichte bleiben am Ende leer bzw. unvollständig ohne die Eucharistie. Das Zweite Vatikanische Konzil nennt die Eucharistie nicht umsonst „Quelle und […] Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11). Der Ort, an dem sie gefeiert wird, der Altar, „soll so aufgestellt sein, dass er wirklich den Mittelpunkt des Raumes bildet.“ Diese liturgische Vorgabe ist hier geradezu mustergültig verwirklicht. Und sie will sagen: Der Gott, der dich nach seinem Ebenbild geschaffen hat, der dich bei deinem Namen gerufen hat und einen ewigen Bund mit dir geschlossen hat, möchte die Mitte deines Lebens sein.